Arbeit & Beschäftigung
Ausgangslage
Entsprechend der Sozialgesetzgebung sind Arbeitgeber, die im Jahr über durchschnittlich mindestens 20 Arbeitsplätze verfügen, dazu verpflichtet wenigstens 5 % (Pflicht-Beschäftigungsquote) der Arbeitsplätze mit Menschen mit einer Schwerbehinderung zu besetzen (§71 Abs. 1 SGIX). Dies gilt sowohl für private als auch öffentliche Arbeitgeber.
Werden weniger als die geforderte Anzahl an Menschen mit einer Schwerbehinderung beschäftigt, muss der Arbeitgeber jährlich eine sogenannte Ausgleichsabgabe für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz an das Integrationsamt zahlen.
Insgesamt beschäftigen die öffentlichen Arbeitgeber im Vergleich zu der Privatwirtschaft mehr Menschen mit einer Schwerbehinderung. Menschen mit einer Schwerbehinderung sind im Landkreis Landsberg am Lech im Jahr 2014 vor allem in folgenden vier Wirtschaftszweigen beschäftigt:
- Verarbeitendes Gewerbe (31 %)
- Öffentliche Verwaltung, Sozialversicherung, externe Organisation (23 %)
- Handel, Instandhaltung, Reparatur von Kfz (13 %)
- Gesundheits- und Sozialwesen (12 %)
Menschen mit Behinderung sollen ihren Arbeitsplatz frei wählen können und bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Verschiedene Statistiken zeigen allerdings, dass die Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt nur sehr mäßig Einzug gehalten hat. Während im öffentlichen Dienst die Quote weitestgehend erfüllt wird, sind Unternehmen der freien Wirtschaft im Vergleich der letzten 10 Jahre auf einem gleichbleibend geringen Stand.
In der Regel zeigen sich die Betriebe offen, wenn ein Mitarbeiter im Laufe seiner Beschäftigung erkrankt und es um den Erhalt seines Arbeitsplatzes geht. Von Neueinstellung behinderter oder psychisch beeinträchtigter Bewerber wird hingegen abgesehen. Es besteht Aufklärungsbedarf.
Darüber hinaus nehmen psychische Erkrankungen aufgrund steigender Arbeitsbelastung stetig zu. Die Übergänge von psychischen Überlastungen zu Behinderungen stellen sich dabei fließend dar. Folgende Probleme und Lösungen wurden in den Arbeitsgruppen zu diesem Handlungsfeld erarbeitet:
Bedeutung der Werkstätten eines geschützten Arbeitsmarktes
In der UN-Behindertenrechtskonvention stellt Artikel 27 fest, „dass das Recht auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen das Recht auf die Möglichkeit der Arbeit in einem offenen, einbeziehenden und zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld einschließt.“
Deutlich hörbar wird der Wunsch nach einem inklusiven Arbeitsmarkt, einem Arbeitsmarkt, der auch Menschen mit Behinderung einschließt. Dieses Ziel kann in einem wettbewerblich ausgerichteten Arbeitsmarkt, der die Leistungsfähigkeit des Einzelnen in den Vordergrund rückt, nicht von allen Menschen erreicht werden. Gerade Menschen mit psychischer und geistiger Behinderung sind auf Angebote des zweiten Arbeitsmarktes, in Werkstätten für Menschen mit Behinderung angewiesen. Ohne das Angebot der Werkstatt wäre dieser Personenkreis vom Recht auf Arbeit nahezu ausgeschlossen und vollkommen beschäftigungslos.
Vorrangiges Ziel bleibt der Zugang von Menschen mit Behinderung zum ersten Arbeitsmarkt. Entsprechende Anpassungen und Umgestaltungen zum Abbau vorhandener Barrieren und für individuelle Unterstützungsleistungen müssen dabei in den nächsten Jahren vorgenommen werden. Zugleich wird ein zweiter Arbeitsmarkt benötigt. Werkstätten für Menschen mit Behinderung orientieren sich dabei nahe am ersten Arbeitsmarkt, sind vernetzt und schaffen durch Qualifizierung und Vermittlung Arbeitsangebote innerhalb und außerhalb der Werkstatt.
Lösungsvorschläge
- Angebot einer unabhängigen Beratung für Menschen mit Behinderung
- Vorbildrolle durch Unternehmen: Angebote von Jobs und Praktika
- Aufbau einer Informationsplattform
- Organisation gemeinsamer Treffen (Betrieb, Einrichtung, Menschen mit Behinderung)
- Unterstützung beim Zugang zum Arbeitsmarkt
- Öffentlichkeitsarbeit
- Ausbau einer barrierefreien Mobilität
Ansprechpartner
- Unabhängige Teilhabeberatung
- Werkstätten
- Unternehmensverbände
- Verantwortliche für ÖPNV
- Koordinationsstelle Inklusion
Mobilität
Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für einen offenen einbeziehenden und zugänglichen Arbeitsmarkt. Nicht nur für Menschen mit Behinderung im Landkreis scheitert häufig der Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten bereits an dieser Voraussetzung, sondern auch für alle Mitbürger die im ländlichen Raum wohnen und mobilitätseingeschränkt sind. Es braucht bessere Beförderungsmöglichkeiten in die Arbeit. Eine Öffnung von alternativen Arbeitsplätzen kann zu einem inklusiven Gelingen in der Arbeitswelt beitragen.
Lösungsvorschläge
- Einrichtung von mehr Telearbeitsplätzen
- Stärkung des ÖPNV (Ausbau des Netzes, bessere Taktung, barrierefreier ÖPNV usw.)
- Beförderung durch Unternehmen (z. B. barrierefreier Werksbus)
- Ausbau von barrierefreien Bahnhöfen
Ansprechpartner
- Bezirk
- Unternehmen
- Verantwortliche der Deutschen Bahn
- Verantwortliche des ÖPNV
- Koordinationsstelle Inklusion
Öffentlichkeitsarbeit
Um Menschen mit Behinderung eine Teilhabe an selbstbestimmter Arbeit zu ermöglichen, besteht Aufklärungs- und Sensibilisierungsbedarf. Eine breitere Information über Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung ist erforderlich. Über gelungene Inklusion auf dem Arbeitsmarkt muss immer wieder berichtet werden. Arbeitgeber benötigen Informationen über die Einsetzbarkeit von Menschen mit Behinderungen oder psychischen Beeinträchtigungen auf dem Arbeitsmarkt.
Lösungsvorschläge
- Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Beschäftigung in Form von Aktionen, Pressearbeit, Artikel über gelungene Inklusion und Informationen zu Inklusion auf dem Arbeitsmarkt sowohl von Beschäftigten und Arbeitssuchenden als auch von Arbeitgebern
- Regelmäßige Kolumne oder Newsletter zum Thema Inklusion, die über unterschiedliche Öffentlichkeitskanäle gestreut werden
- Bekanntmachung des Arbeitskreises Arbeit, der über verschiedenste Angebote der Beschäftigung für Menschen mit Behinderungen und psychischen Beeinträchtigungen informiert
- Einbindung und Benutzung der sozialen Medien
Ansprechpartner
- Interessensvertretung der Unternehmen
- Unternehmerverbände
- Integrationsfachdienst
- Arbeitskreis Arbeit
- Koordinationsstelle Inklusion
- Wirtschaftsförderung
Praktikumsplätze für Menschen mit Behinderung
Der Zugang zum Arbeitsmarkt erfolgt für Menschen mit Behinderung häufig über Praktikumsstellen. Im Landkreis fehlen diese allerdings. Der öffentliche Dienst muss in dieser Frage Vorbild sein und Praktikumsplätze für Menschen mit Behinderung schaffen. Auch Betriebe müssen mehr Möglichkeiten für Praktika anbieten.
Lösungsvorschläge
- Betriebe sollen eine bestimmte Anzahl von Praktikumsplätzen zur Verfügung stellen
- Der Aufbau von Kooperationen zu Unternehmen ist notwendig, um Praktikumsplätze zu gewinnen und als „Best Practice“ in der Öffentlichkeit werben zu können
- Veranstaltungen wie das Unternehmerfrühstück des Landkreises können für die Bewerbung von Kooperationen genutzt werden
- Das Landratsamt und die Gemeindeverwaltungen müssen mit gutem Beispiel vorangehen und Praktikumsplätze zur Verfügung stellen
- Die Installation einer Praktikumsbörse ist für alle gewinnbringend
Ansprechpartner
- Gemeinden
- Landkreis Landsberg am Lech
- Träger der beruflichen Rehabilitation und Einrichtungen
- Integrationsfachdienst (IFD) Weilheim
- Handwerkskammern und Innungen
- Koordinationsstelle Inklusion
- Wirtschaftsförderung
Prävention
Das Thema psychische Belastungen und Erkrankungen am Arbeitsplatz gewinnt zunehmend an Bedeutung. So haben zwischen 2003 und 2014 Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen um mehr als 83 % zugenommen. Der Prävention psychischer Erkrankungen und Behinderungen kommt daher ein besonderer Stellenwert zu und wurde beim Arbeitsworkshop als prominentes Thema benannt.
Lösungsvorschläge
- Die Schwerbehindertenvertreter der Firmen sind erste Anlaufstelle für psychisch belastete und schwerbehinderte Arbeitnehmer. Aufbau eines Runden Tisches, um zu informieren und einen Austausch zwischen den Schwerbehindertenvertretern zu ermöglichen
- Schulungen der Arbeitgeber im Landkreis zum Thema psychische Erkrankungen und Behinderungen
- Sensibilisierung zur Thematik und Öffentlichkeitsarbeit
- Prävention (Verringerung bzw. Vermeidung von Risikofaktoren) muss viel früher greifen. Diesbezüglich braucht es Informationen, Maßnahmen und Anlaufstellen für Erwerbstätige, bevor sie erkranken. Dies muss in den Firmen umgesetzt werden. Dabei muss auch das berufliche Eingliederungsmanagement bei der Prävention Berücksichtigung finden
- Einige Menschen haben wenig Wissen über die eigene psychische Erkrankung und wenn sie davon wissen, dann ist die Wartezeit sehr lang, um einen Zugang in eine Maßnahme zu bekommen. Aufklärungsarbeit und kürzere Wartezeiten für Maßnahmen
Ansprechpartner
- Landkreis Landsberg am Lech
- Unternehmen
- Integrationsfachdienst (IFD) Weilheim
- Handwerkskammern und Innungen
- Koordinationsstelle Inklusion
- Wirtschaftsförderung
Sensibilisierung von Arbeitgebern
Eine zentrale Frage des Arbeitsworkshops sowie des Arbeitskreises Arbeit lautet: Wie erreichen wir die Arbeitgeber? Wie können wir informieren, Vorurteile abbauen, sensibilisieren? In der Vergangenheit waren Informationsveranstaltungen zum Thema Beschäftigung von Menschen mit Behinderung schlecht besucht bzw. von solchen Arbeitgebern frequentiert, die ohnehin bemüht sind und die Pflichtquote von 5 % erfüllen.
Die Agentur für Arbeit gibt regelmäßig Informationen an die Unternehmen weiter. Darüber hinaus stellt die Agentur für Arbeit über ihre Internetseite zahlreiche Informationen zur Verfügung. Auch kann jedes Unternehmen über einen installierten Arbeitgeberservice Informationen einholen.
In der Regel kommen Arbeitgeber nicht auf die Agentur für Arbeit bzw. das Jobcenter zu.
Lösungsvorschläge
- Die Arbeitgeber müssen sich aufgehoben und mitgenommen fühlen bei der Fragestellung: „Wie kann ich meine Mitarbeiter speziell mit Beeinträchtigung, Behinderung und psychischen Belastungen in das Unternehmen integrieren?“. Der persönliche Kontakt zur Geschäftsleitung ist notwendig
- Pressearbeit: Gute Beispiele von Inklusion müssen ständig veröffentlicht werden. Beispiele von Zuschussmöglichkeiten und Förderungen benannt werden
- Die Sprechstunde für Arbeitgeber und Beschäftigte muss langfristig beworben werden
- Aufbau von Integrationsfirmen
- Unternehmen müssen zwingend die 5 % Hürde erfüllen
- Schaffung einer Quote für Ausbildungsplätze
Ansprechpartner
- Agentur für Arbeit
- Jobcenter
- Integrationsfachdienst (IFD) Weilheim
- Handwerkskammern und Innungen
- Koordinationsstelle Inklusion
- Wirtschaftsförderung
Überblick Fördergelder
Arbeitgeber beklagen einen fehlenden Überblick über Fördergelder, Infos und Zuschüsse bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Darüber hinaus fehlen klare transparente Strukturen bezüglich der Zuständigkeiten. So gibt es viele Träger (Integrationsamt, Agentur für Arbeit, Bezirk, Sozialhilfeverwaltung, Rentenversicherung etc.) mit jeweils anderem Schwerpunkt. Damit ist es für Arbeitgeber schwierig, den richtigen Ansprechpartner zu finden. Es gibt kein trägerübergreifendes Informationsmaterial. Die Beschaffung von Informationen und die Beantragung von Zuschüssen beanspruchen unverhältnismäßig viel Zeit, die im laufenden Betrieb einer Firma nicht zur Verfügung steht. Daher rücken viele Firmen davon ab, Menschen mit Behinderung, Beeinträchtigung und psychischer Erkrankung einzustellen.
Lösungsvorschläge
- Betriebe brauchen einen Überblick über Fördermöglichkeiten und Ansprechpartner. Hilfreich wäre eine zentrale Anlaufstelle, bei welcher Informationen eingeholt werden können und die einen Überblick in Form einer Broschüre, eines Faltblattes oder einer Homepage gibt
- Direkte Erreichbarkeit der Ansprechpartner in den zuständigen Stellen (Rentenversicherung, Agentur für Arbeit, Bezirk usw.)
- Bessere Darbietung von Informationen über geförderte Beschäftigungsmöglichkeiten von Trägern der beruflichen Einrichtungen und Rehabilitation
- Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer dauerhaft Sprechstunden installieren
- Beratung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer über psychische Störungen und Hilfen
- Das, im Bundesteilhabegesetz verankerte Budget für Arbeit, muss bekannt gemacht werden
Ansprechpartner
- Integrationsfachdienst (IFD) Weilheim
- Träger der beruflichen Rehabilitation und Einrichtungen
- Handwerkskammern und Innungen
- Koordinationsstelle Inklusion