Barrierefreiheit & Mobilität
Ausgangslage
Laut dem ehemaligen Ministerpräsident Seehofer soll in Bayern bis 2023 Barrierefreiheit erreicht werden. Auch wenn der Landkreis Landsberg am Lech weit davon entfernt ist, gibt es vielerorts Bemühungen, die bauliche Barrierefreiheit voranzutreiben. Bauliche Barrierefreiheit betrifft sowohl den Bau bzw. Umbau von Gebäuden und Wohnraum als auch den öffentlichen Raum. Er bezeichnet „alle der Öffentlichkeit zugänglichen und von ihr genutz- ten Orte. […] Entscheidendes Merkmal ist, dass die Fläche für jeden und zu jeder Zeit frei zugänglich ist“. 2
Dabei kommt dem öffentlichen Raum eine besondere Bedeutung zu; so ist er ein Ort, „an dem das Leben [einer Gemeinde] stattfindet: Er hat soziale und kulturelle Bedeutung; er hat Aufenthaltsfunktion und ist Ort für öffentliche Veranstaltungen. Als Begegnungsort fördert er Kommunikation, Feste und Kunst, als Markt ist er Ort des Austausches von Waren und Dienstleistungen, als Verkehrsraum leistet er einen Beitrag zur Mobilität.“ 3
Oft wird Menschen mit Behinderung oder psychischen Beeinträchtigungen im öffentlichen Raum Unverständnis entgegengebracht. Das Problem sind die Barrieren in den Köpfen (Vorurteile, Ängste, Unsicherheit). Hier hilft Aufklärungsarbeit in Form von Informationsveranstaltungen, Berichte in Medien, Vertrauensaufbau, sozialraumorientierte Unterstützung und Begleitung.
Voraussetzung für eine bessere Teilhabe mobilitätseingeschränkter Menschen des öffentlichen (Verkehrs-) Raumes ist ein Überblick über barrierefreien Zugang zu Geschäften, Arztpraxen, Restaurants und Institutionen sowie zu barrierefreien öffentlichen Toiletten.
Ein barrierefreies Wohnumfeld und barrierefreier Wohnraum sind Voraussetzung, damit Menschen mit Behinderung ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. Daher ist die Beschaffung barrierefreien (bezahlbaren) Wohnraums und barrierefreier Umbau von Bestand ein wichtiges Ziel dieses Handlungsfelds. Darüber hinaus spielt auch der barrierefreie Zugang zu Informationen eine wichtige Rolle für die Teilhabe. Die in den Arbeitstreffen erarbeiteten Bedarfe und Kritikpunkte stellen sich wie folgt dar:
2 und 3: Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (2015)
Aufklärungsarbeit und Schulungen
In den Workshops wurde diskutiert, dass viele Menschen über Behinderungsarten, Beeinträchtigungen und psychische Krankheiten wenig bis gar nichts wissen. Im täglichen Leben kann es vorkommen, dass man mit Situationen und Menschen konfrontiert wird, die einen persönlich betroffen machen, überfordern oder ein Unsicherheitsgefühl auslösen. Hier kann nur Aufklärung helfen, indem für die Thematiken der unterschiedlichen Behinderungsarten, Beeinträchtigungen und psychischen Krankheiten mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft Platz findet.
Lösungsvorschläge
- Aufklärungsarbeit zu Behinderungsarten und psychischen Erkrankungen in Form von öffentlichen Kampagnen, Schulungen oder Informationsbroschüren
- Hausärzte sollen besser psychiatrisch und psychotherapeutisch geschult sein. Somit kann der Hausarzt in Selbsthilfegruppen vermitteln und mit Psychotherapeuten Situation abklären
- Entwicklung von Leitlinien für Hausärzte
Ansprechpartner
- Bezirk
- Gemeinden
- Landkreis Landsberg am Lech
- Schulen
- Unternehmen
- Koordinationsstelle Inklusion
Bahnverkehr und Bahnhöfe
Der Kauferinger Bahnhof ist ein Musterbeispiel für einen barrierereichen Bahnhof. So kann man weder als Rollstuhlfahrer noch mit Kinderwagen, Rollator etc. die Bahnsteige bzw. Züge erreichen. Auch für Bahnreisende ohne Behinderung stellt beispielsweise der Umstieg eine Herausforderung dar. Durch den Fahrdienstleiter wäre ein barrierefreier Zugang zu den Gleisen möglich, nicht aber in den Zug. Für den Einstieg in den Zug ist ein Hublift vorhanden, aber nicht das dafür notwendige Servicepersonal. Der Fahrdienstleiter steht hierfür nicht zur Verfügung. Dieses Problem betrifft auch andere Bahnhöfe.
Lösungsvorschläge
- An allen nicht-barrierefreien Bahnhöfen sollen Hublifte als Serviceangebot zur Verfügung stehen. Der Service muss durch die Bahnbediensteten erfolgen oder auf andere übertragen werden. Offensichtlich gibt es Bahnhöfe, an denen Dienstleister diesen Service übernehmen
- Öffentlichkeitswirksame Aktionen, um Druck auf die Bahn oder die Landesregierung auszuüben, z. B. über eine Petition übers Internet mit möglichst vielen Gemeinden und anderen Akteuren
- Einbindung aller Akteure bei der barrierefreien Gestaltung der Bahnhöfe und deren Vorplätze
Ansprechpartner
- Deutsche Bahn
- Gemeinden
- Behinderten-, Seniorenbeauftragte und Seniorenbeiräte der Gemeinden
- Koordinationsstelle Inklusion
- Koordinierungsstelle Seniorenpolitisches Gesamtkonzept
Barrierefreier Zugang zu Informationen
Nicht alle Menschen im Landkreis haben gleichermaßen Zugang zu Informationen. Insbesondere Informationsmaterialien, Broschüren oder Formulare bei Behördengängen stellen für viele Menschen in der Bevölkerung ein Problem dar.
Für einen Teil der Betroffenen können in diesem Zusammenhang neue Informationstechnologien eine große Chance sein, Teilhabemöglichkeiten zu verbessern. Dabei ist es wichtig, dass der Zugang zu Internetseiten, besonders für blinde und sehbehinderte Menschen, barrierefrei gestaltet wird.
Lösungsvorschläge
- Sensibilisierung und Schulung von Behördenmitarbeitern, um die Belange und Bedürfnisse älterer und behinderter Klienten besser zu verstehen
- Übersetzung von Informationsmaterialien und Formularen in leichte Sprache
- Bewusstseinsbildung für barrierefreien Zugang zu Informationen
- Umsetzung von barrierefreiem Internetauftritt
- Erleichterung des Zugangs zu Informationen für alle Bürger durch die
- Gemeinden
Ansprechpartner
- Gemeinden
- Landkreis Landsberg am Lech
- Koordinationsstelle Inklusion
- Koordinationsstelle Seniorenpolitisches Gesamtkonzept
- Integrationsbeauftragte
Der öffentliche Verkehrsraum
Der öffentliche Verkehrsraum stellt für Menschen mit Behinderung ein großes Problem dar. So bestehen in Gemeinden und Städten zahlreiche Barrieren, die beseitigt werden müssen. Insbesondere die Gehwege wurden in diesem Zusammenhang bemängelt. Seitens der Bürgerinnen und Bürger braucht es:
- Gehwege, die den Durchgang für mindestens zwei Personen nebeneinander ermöglichen
- Vermeidung von Gegenständen wie Blumenkübel, Gastronomiebestuhlung etc. im Verkehrsraum
- Objekte im Verkehrsraum, die als Sitz- bzw. Anlehnmöglichkeiten umfunktioniert werden können, z. B. im Rahmen der „beWEGten Gemeinde“
- Übergänge und Straßenquerungen müssen für alle Menschen barrierefrei gestaltet werden (sog. Doppelquerungen)
- Erneuerung von Gehwegen mit schlechtem Belag und Unebenheiten
Lösungsvorschläge
- Bereits zahlreiche Gemeinden haben mit Ortsbegehungen Barrieren in ihrem Wohnumfeld identifiziert und dokumentiert. Ortsbegehungen sollen mit Unterstützung des zuständigen Gemeinderates und Bürgermeisters in allen Gemeinden des Landkreises stattfinden und Grundlage einer Umsetzung der dokumentierten Mängel sein. Die Beseitigung der Mängel muss durch die einzelnen Gemeinden erfolgen. Die „beWEGte Gemeinde“ unterstützt Ortsbegehungen
- Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinden, Vereinen und Schulen bei Ortsbegehungen in Form von „Bürgerworkshops“, Schul- oder Vereinsprojekten
- Stärkung der Rolle der Gemeindebehinderten- und Seniorenbeauftragten: Festschreibung bestimmter Aufgaben, enge Zusammenarbeit und Behandlung der Themen im Gemeinderat, Thematisierung des Ansprechpartners mit Sprechstunde
Ansprechpartner
- Gemeinden
- Behinderten-, Seniorenbeauftragte und Seniorenbeiräte der Gemeinden
- Koordinationsstelle Inklusion
- Koordinationsstelle Seniorenpolitisches Gesamtkonzept
- Koordinationsstelle Klimaschutz
Haltestellen
Haltestellen sind Teil des öffentlichen Raumes und Schnittstelle zum Nahverkehr. Häufig sind bereits Haltestellen ein Problem: Höhenunterschiede zwischen Fahrzeug und Haltestelle bzw. Bahnsteig stellen eine Hürde für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Gehbehinderung dar. Darüber hinaus sind Warteflächen und Sitzgelegenheiten nicht immer ausreichend vorhanden oder nicht optimal angeordnet. Von ausreichenden überdachten Warte- und Bewegungsflächen sowie Sitzgelegenheiten profitieren letztendlich alle Reisenden.
Lösungsvorschläge
- Es ist für ausreichende barrierefreie, erreichbare Wartebereiche und Bewegungsflächen zu sorgen
- Bei Um- und Neubauten ist auf Barrierefreiheit der Haltestellen und Wartebereiche zu achten
- Fahrgastinformationen sind so anzubringen, dass alle Menschen Zugang haben: passende Höhe (Kinder und Rollstuhlfahrer sollen die Information lesen können), große Schrift, farbliche Gestaltung etc.
- Das Zwei-Sinne-Prinzip (sehen und hören) muss an Haltestellen und Wartebereichen angewandt werden, das bedeutet Informationen in schriftlicher Form und per Durchsage
Ansprechpartner
- Gemeinden
- Bauämter
- Verantwortliche für ÖPNV
- Behinderten-, Seniorenbeauftragte und Seniorenbeiräte der Gemeinden
- Koordinationsstelle Inklusion
- Koordinationsstelle Seniorenpolitisches Gesamtkonzept
Information über Förderung bei Umbauten und Instandhaltung
Bauliche Maßnahmen und Sanierungen in den Gemeinden müssen im Gemeinderat bzw. im Landratsamt genehmigt werden. Bei Sanierungen ist auf Barrierefreiheit zu achten und über Förderungen, auch bei Instandhaltung, zu informieren. Mitarbeiter müssen entsprechend geschult sein.
Lösungsvorschläge
- Ortsbegehungen in allen Gemeinden unter Beteiligung von: Bürgermeister, Bauämter, Behinderten- und Seniorenbeauftragten, Koordinationsstellen Senioren und Inklusion
- Sensibilisierung zum Thema Barrierefreiheit sowohl in den Gemeinden (Multiplikatoren sind Behinderten- und Seniorenbeauftragte) als auch in Bauämtern und bei Architekten
- Angebot von Schulungen zu den Themen barrierefreies Bauen und Fördermöglichkeiten
Ansprechpartner
- Gemeinden
- Bauämter
- Behinderten-, Seniorenbeauftragte und Seniorenbeiräte der Gemeinden
- Koordinationsstelle Inklusion
- Koordinationsstelle Seniorenpolitisches Gesamtkonzept
Öffentliche Gebäude
Behörden, Arztpraxen, Geschäfte, Kirchen etc. sind nicht für alle Menschen gleichermaßen zugänglich. Häufig besteht außerdem das Problem, dass bei Teilsanierungen dem Aspekt der Barrierefreiheit nur unvollständig oder gar nicht Rechnung getragen wird. Beispielsweise sind Gebäude innen barrierefrei umgebaut, von außen aber aufgrund von Stufen oder einem engen Eingang nicht zugänglich. Oder umgekehrt: Das Gebäude ist von außen barrierefrei zugänglich, der Aufzug aber zu eng oder erst ab der ersten Etage erreichbar.
Die Barrierefreiheit in Gebäuden kollidiert teilweise mit den Brandschutzrichtlinien und dem Denkmalschutz. Generell gilt die Prämisse „Brandschutz bzw. Denkmalschutz vor Barrierefreiheit“. Trotzdem ist auch in schwierigen Fällen ein Kompromiss zu finden, der darin liegen kann, durch bestimmte Servicemaßnahmen eine Vereinbarkeit von Brand- und Denkmalschutz mit Barrierefreiheit zu gewährleisten.
Lösungsvorschläge
- Sensibilisierung von Gemeinden, Institutionen, Dienstleistern, Einzelhandel, Ärzte, Privatpersonen etc. Erhebung für alle öffentlichen Gebäude, inwieweit diese barrierefrei zugänglich sind. Ziel einer solchen Erhebung ist es, einen Überblick über die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum zu erlangen und diesen auch für die Bürgerinnen und Bürger in Form einer Landkarte, Homepage o. ä. zur Verfügung zu stellen
- Die landkreiseigenen Gebäude wurden bereits im Jahre 2014 in Form einer Bestandserfassung auf ihre Barrierefreiheit hin untersucht. Weiterverfolgung der Bestandserfassungen und Beseitigung der bean-standeten Barrieren
- Kooperation mit den Denkmalschutzämtern
Ansprechpartner
- Gemeinden
- Bauämter
- Inklusionsbeirat
- Koordinationsstelle Inklusion
- Ärzte
- Einzelhandel
- Bauträger
Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV): Angebote des ÖPNV
Menschen mit Behinderung sollen selbstbestimmt leben können und Zugang zu allen öffentlichen Einrichtungen, ihrer Arbeit, kulturellen Darbietungen und Freizeitaktivitäten haben. Um dies zu erreichen, braucht es vor allem ein gutes Angebot des ÖPNV. Über alle Arbeitstreffen hinweg hat sich gezeigt, dass die Mobilität maßgeblich für das Gelingen oder Scheitern von Inklusion sorgt. Wenn das Angebot des ÖPNV nicht ausreicht, können Menschen mit Behinderung weder ihren Freizeitaktivitäten nachgehen noch eine adäquate Arbeit finden. Durch den strukturellen Wandel der Daseinsvorsorge fehlt mobilitätseingeschränkten Menschen eine Nahversorgung in ihrer Umgebung (Angebote der medizinischen Versorgung, Bankgeschäfte, Einkaufsmöglichkeiten etc.), auf die sie angewiesen sind, um ihren Alltag angemessen bewältigen zu können. Insbesondere am Abend und am Wochenende besteht teilweise keine Beförderungsmöglichkeit. In allen Arbeitstreffen wurde ein besseres Angebot im ÖPNV gefordert und der Wunsch geäußert, dass die Attraktivität des ÖPNV gestärkt wird.
Lösungsvorschläge
- Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs im gesamten Landkreis
- Ausweitung der Verkehrszeiten (abends und am Wochenende)
- Einführung eines barrierefreien Anruf-Sammel-Taxis (AST) im gesamten Landkreis sowie Bekanntmachen und Werbung für ein solches System
- Durchführung einer Bedarfserhebung in den Gemeinden
- Schaffen alternativer Beförderungsmöglichkeiten (Mitfahr-App, Mitfahrer-Bank oder Mitfahrzentrale des Landratsamtes). Dafür müssen die rechtlichen Grundlagen gesichert sein. Solche alternativen Beförderungsmethoden müssen konsequent beworben werden
- Bewusstseinsbildung: Nicht jedem ist klar, dass es nicht für alle selbstverständlich ist, den ÖPNV zu nutzen. Bei den Gemeinderats- und Stadtratssitzungen muss dieses Problem immer wieder thematisiert werden
Ansprechpartner
- Gemeinden
- Landkreis Landsberg am Lech
- Verantwortliche für ÖPNV
- Behinderten-, Seniorenbeauftragte und Seniorenbeiräte der Gemeinden
- Koordinationsstelle Inklusion
- Koordinationsstelle Seniorenpolitisches Gesamtkonzept
Visuelle und auditive Ansagen in den Bussen des ÖPNV
In den Bussen des ÖPNV wurden bereits visuelle und auditive Ansagen eingeführt. Diese sind besonders für Menschen mit Beeinträchtigung des Sehens und Hörens sehr wichtig, um sich orientieren zu können und selbständig den ÖPNV nutzen zu können. Häufig wird aber die Haltestellendurchsage in den Bussen abgeschaltet bzw. die Durchsagen erfolgen zu leise.
Lösungsvorschläge
- Sensibilisieren der Busunternehmen
- Kontrollen durch zuständige Behörden
- Rückmeldung durch Betroffene in Form einer Befragung
- Automatisierung der Ansagen
- Vertragliche Verpflichtung der Unternehmen
Ansprechpartner
- Gemeinden
- Landkreis Landsberg am Lech
- Verantwortliche für ÖPNV
- Behinderten-, Seniorenbeauftragte und Seniorenbeiräte der Gemeinden
- Koordinationsstelle Inklusion
- Koordinationsstelle Seniorenpolitisches Gesamtkonzept
- Betroffene